Hiermit möchten ich Ihnen die Hintergründe zur Grundsteuerreform und zur Notwendigkeit der neuen Hebesätze erläutern. Diese Reform bringt einige Änderungen, und es ist mir wichtig, Ihnen zu erklären, warum höhere Hebesätze notwendig sind und was das für Sie bedeutet.
1. Hintergrund der Grundsteuerreform und der unterschiedlichen Grundsteuerarten
Im Jahr 2018 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das bisherige System der Grundsteuerbewertung nicht mehr verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber war daher verpflichtet, ein neues System einzuführen. Die Reform betrifft drei verschiedene Arten der Grundsteuer:
Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Flächen: Hier wird, wie im bisherigen Recht, ein typisiertes Ertragswertverfahren zur Berechnung der Grundsteuer genutzt.
Grundsteuer B für bebaute und bebaubare Grundstücke: In Baden-Württemberg wird hier das modifizierte Bodenwertmodell angewandt, das Grundstücke nur anhand der Fläche und des Bodenrichtwerts bewertet. Gebäude und deren Werte spielen in diesem Modell keine Rolle mehr.
Grundsteuer C (ab 2025 optional für Kommunen): Diese neue Kategorie zielt auf unbebaute, aber baureife Grundstücke ab. Gemeinden können hier einen höheren Hebesatz festlegen, um die Bebauung von Grundstücken und die Bereitstellung von Wohnraum zu fördern. In unserer Gemeinde Bingen ist die Grundsteuer C bisher nicht im Einsatz.
2. Wie wird die neue Grundsteuer berechnet?
Die Berechnung der neuen Grundsteuer erfolgt in einem dreistufigen Verfahren:
Bewertung des Grundstücks: Das Finanzamt berechnet den Grundsteuerwert eines Grundstücks, indem die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert (dem Wert je Quadratmeter, den der örtliche Gutachterausschuss festgelegt hat) multipliziert wird.
Ermittlung des Messbetrags: Auf Basis des Grundsteuerwerts berechnet das Finanzamt den Messbetrag. Dies geschieht, indem der Grundsteuerwert mit einer Steuermesszahl multipliziert wird. Dieser Messbetrag ist die Grundlage für die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer. Bei Wohnbaugrundstücken gibt es zusätzlich einen Abschlag von 30 %.
Festlegung des Hebesatzes: Die Gemeinde beschließt den Hebesatz. Dieser wird mit dem Messbetrag multipliziert, um die endgültige Grundsteuer zu berechnen, die im Grundsteuerbescheid ausgewiesen wird. Der Hebesatz wird in Prozent angegeben – je höher er ist, desto höher ist die Steuerlast.
3. Warum müssen die Hebesätze angepasst werden?
Wichtig ist hier zunächst: Grundsätzlich hat die Gemeinde durch die Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes die Möglichkeit, Hebesätze eigenständig festzulegen. Die Reform zielt jedoch nicht darauf ab, dass die Kommunen dadurch Mehreinnahmen erzielen. Stattdessen ist das Ziel, die finanziellen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger sowie die Einnahmen der Gemeinde insgesamt stabil zu halten. Wir haben daher die neuen Hebesätze so berechnet, dass das Grundsteueraufkommen der Gemeinde in etwa auf dem Niveau des Vorjahres bleibt. So bleibt die sogenannte Aufkommensneutralität gewahrt.
Einnahmen aus Grundsteuer A und B
Das Aufkommen der Gemeinde aus den Grundsteuern A und B soll auf dem bisherigen Niveau bleiben. Die erhöhten Hebesätze sind notwendig, da die neuen Bewertungsgrundlagen in vielen Fällen zu niedrigeren Grundsteuerwerten und damit zu geringeren Messbeträgen führen. Hier die konkreten Beträge und die Berechnung zur Sicherstellung der Aufkommensneutralität:
Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft): Im Jahr 2024 lag das Aufkommen bei rund 31.780,24 EUR. Für das Jahr 2025 ergibt sich durch die neuen Bewertungsgrundlagen ein voraussichtlicher Messbetrag von rund 5.500 EUR. Um das gleiche Aufkommen wie 2024 zu erreichen, wurde der Hebesatz auf 580 % festgelegt.
Die Rechnung dazu: 5.500EUR×580%=31.900EUR.
Damit bleibt das Aufkommen praktisch unverändert und liegt nur 0,37 % über dem Wert des Vorjahres.Grundsteuer B (Wohngrundstücke): Im Jahr 2024 betrug das Aufkommen für die Grundsteuer B etwa 276.160,99 EUR. Für das Jahr 2025 beträgt der voraussichtliche Messbetrag rund 71.000 EUR. Um das Aufkommen konstant zu halten, wurde der Hebesatz auf 390 % angehoben.
Die Berechnung hierzu: 71.000EUR×390%=276.900EUR.
Das Aufkommen bleibt nahezu gleich und erhöht sich nur um rund 739,01 EUR, was einer minimalen Steigerung von 0,27 % entspricht.
Die Reform bringt somit keine wesentlichen zusätzlichen Einnahmen für die Gemeinde. Die Anpassung der Hebesätze erfolgt einzig, um die bisherigen Einnahmen konstant zu halten und so die Haushaltsplanung der Gemeinde zu sichern.
4. Was bedeutet das für Sie als Steuerpflichtige?
Wichtig ist zu betonen, dass sich die Aufkommensneutralität auf die Gemeinde als Ganzes bezieht, nicht jedoch auf jeden einzelnen Steuerpflichtigen. Das bedeutet, dass manche Bürgerinnen und Bürger künftig möglicherweise mehr und andere weniger Grundsteuer zahlen müssen als bisher. Diese Verschiebungen sind eine Folge des neuen Bewertungsmodells, das die Gebäudewerte nicht mehr berücksichtigt. Insbesondere bei unbebauten Grundstücken und Grundstücken in wertvolleren Lagen kann dies zu Mehrbelastungen führen.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Informationen einige Fragen beantwortet zu haben.
Ihr
Marco Potas